Lauwil (Transkription Nr. 2224)

Schulort Lauwil
Konfession des Orts: Reformiert
Signatur der Quelle: BAR B0 1000/1483, Nr. 1426, fol. 189-191v
Standort: Bundesarchiv Bern
Kanton 1799: Basel
Distrikt 1799: Waldenburg
Agentschaft 1799:
Kirchgemeinde 1799: Bretzwil
Ort/Herrschaft 1750: Basel
Kanton 2015: Basel-Landschaft
Gemeinde 2015: Lauwil
In dieser Quelle wird folgende Schule erwähnt:
  • Lauwil (Niedere Schule, reformiert)
20.02.1799

BEANTWORTUNG
DER FRAGEN ÜBER DEN ZUSTAND DER SCHULE ZU LAUWJL.

I. Lokal-Verhältnisse.
I.1Name des Ortes, wo die Schule ist.

Lauwyl.

I.1.aIst es ein Stadt, Flecken, Dorf, Weiler, Hof?

Ein Dorf.

I.1.bIst es eine eigene Gemeinde? Oder zu welcher Gemeinde gehört er?

Er ist eine eigne Gemeine.

I.1.cZu welcher Kirchgemeinde (Agentschaft)?

Zu Bretzwyl.

I.1.dIn welchem Distrikt?

Wallenburg.

I.1.eIn welchen Kanton gehörig?

Zum Cant: Basel.

I.2Entfernung der zum Schulbezirk gehörigen Häuser. In Viertelstunden.

Jnnerhalb des Umkreises einer Viertelstunde, liegen, mit Einschluß des Dorfes, 61 Häuser; innert der zweyten, 3 häuser, der dritten, 3 Häuser, und der 4 ten, ein Haus.

I.3Namen der zum Schulbezirk gehörigen Dörfer, Weiler, Höfe.

Jm Umkreise der ersten Viertelstunde liegen: Mathias und Heinrich Gysins Häuser, die Rütj, 3 St: Romey und der Lauwylberg; innert der zweyten: die Lank, 3 Ullmatthäuser; innert der dritten: Gaiten, Bürten und Bogenthal; und innert der 4ten: der Vogelberg.

I.3.aZu jedem wird die Entfernung vom Schulorte, und
I.3.bdie Zahl der Schulkinder, die daher kommen, gesetzt.

Von dem mittlern und untern St: Romey, (1/4 Stunde vom Orte) kommen 4 Kinder; von den übrigen Höfen keine, weil sie sich wegen der allzugrossen Entfernung umherstreifende und vacirende Privat-Lehrer halten.

I.4Entfernung der benachbarten Schulen auf eine Stunde im Umkreise.
I.4.aIhre Namen.

||[Seite 2] Brezwyl und Regoldswyl.

I.4.bDie Entfernung eines jeden.

Brezwyl und Regoldswyl sind jedes eine halbe Stunde davon; doch liegt der letstere Ort etwas näher als der erste.

II.10Sind die Kinder in Klassen geteilt?

Nein.

II. Unterricht.
II.5Was wird in der Schule gelehrt?

Lesen und Schreiben.

II.6Werden die Schulen nur im Winter gehalten? Wie lange?

Jm Winter werden sie alle Tage gehalten, mit Ausnahme des Donnerstags und Samstags Nachmittags. die Winterschulen beginnen mit Anfang des Wintermonates und endigen sich mit Ausgang des Aprils; die übrige Zeit werden die Sommerschulen gehalten.

II.7Schulbücher, welche sind eingeführt?

Keine andern, als der Baslerische Catechismus, genannt: das Nachtmalbüchlein, samt der heiligen Schrift, und einigen Andachtsbüchern.

II.8Vorschriften, wie wird es mit diesen gehalten?

Die Kinder schaffen das nöthige Papier in eignen Kösten an; dann schreibt ihnen der Schulmeister, je nach Maasgabe ihrer Fähigkeiten, entweder das A, B, C; einzelne Worte, oder ganze Zeilen vor.

II.9Wie lange dauert täglich die Schule?

Morgens von 9-11 Uhr, und Nachmittags von 1-3 Uhr.

III. Personal-Verhältnisse.
III.11Schullehrer.
III.11.aWer hat bisher den Schulmeister bestellt? Auf welche Weise?

Das Deputaten-Amt der Kirchen und Schulen; Vor jeder Bestellung mußten die, sich meldenden Competenten ||[Seite 3] von dem Prediger im Lesen, Schreiben und Singen geprüft werden; hierauf wurde der Tauglichste dem erstgedachten Collegio zur Erwählung vorgeschlagen, und mehrenteils bestätiget.

III.11.bWie heißt er?

Johannes Rudy.

III.11.cWo ist er her?

Von Lauwyl.

III.11.dWie alt?

72 Jahre alt.

III.11.eHat er Familie? Wie viele Kinder?

Er hat einen noch ledigen Sohn, und 3 Töchtern, von welchen 2 verheürathet sind.

III.11.fWie lang ist er Schullehrer?

Seit Anno 1761.

III.11.gWo ist er vorher gewesen? Was hatte er vorher für einen Beruf?

Er war immer zu Hause; er war, was er noch ist, ein Posamentirer.

III.11.hHat er jetzt noch neben dem Lehramte andere Verrichtungen? Welche?

Er treibt neben dem Lehramte seinen Beruf, weil er sonst verhungern müßte; in andern Verrichtungen steht er nicht.

III.12Schulkinder. Wie viele Kinder besuchen überhaupt die Schule?

Zwanzig bis vier und zwanzig Kinder.

III.12.aIm Winter. (Knaben/Mädchen)

Knaben Circa Zwölf
Mädchen Circa Eben so viele.

III.12.bIm Sommer. (Knaben/Mädchen)

Knaben Circa 8
Mädchen Circa 6.

IV. Ökonomische Verhältnisse.
IV.13Schulfonds (Schulstiftung)
IV.13.aIst dergleichen vorhanden?

Keinesweges.

IV.13.bWie stark ist er?
IV.13.cWoher fließen seine Einkünfte?
IV.13.dIst er etwa mit dem Kirchen- oder Armengut vereinigt?
IV.14Schulgeld. Ist eines eingeführt? Welches?

Er hat täglich von jedem Kinde (von welchen aber fast immer die halben aussen bleiben) einen Rappen, oder 1 ß. wöchentlich

IV.15Schulhaus.

||[Seite 4] Dieses gehört dem Schulmeister eigentümlich; der Platz ist sehr eingeschränkt und unbequem, und der Schulmeister erhält von der Gemeine keinen Hauszins.

IV.15.aDessen Zustand, neu oder baufällig?
IV.15.bOder ist nur eine Schulstube da? In welchem Gebäude?
IV.15.cOder erhält der Lehrer, in Ermangelung einer Schulstube Hauszins? Wie viel?
IV.15.dWer muß für die Schulwohnung sorgen, und selbige im baulichen Stande erhalten?
IV.16Einkommen des Schullehrers.
IV.16.AAn Geld, Getreide, Wein, Holz etc.

An Gelt. Er erhält ausser den obenangeführten 2 d. von jedem Kinde, täglich, welches im ganzen Jahre höchstens 40 lb. Gelts, oder 12 neue franz: Thaler ausmacht, noch jährlich ein Gratiale vom L: Deputaten-Amt von 3 Neuenthalern oder 10 lb. Sonst genießt er Nichts, und, als Schulmeister, besitzt er keines Fußbreit Landes!!!

IV.16.BAus welchen Quellen? aus
IV.16.B.aabgeschaffenen Lehngefällen (Zehnten, Grundzinsen etc.)?
IV.16.B.bSchulgeldern?
IV.16.B.cStiftungen?
IV.16.B.dGemeindekassen?
IV.16.B.eKirchengütern?
IV.16.B.fZusammengelegten Geldern der Hausväter?
IV.16.B.gLiegenden Gründen?
IV.16.B.hFonds? Welchen? (Kapitalien)
Bemerkungen
Schlussbemerkungen des Schreibers

Anmerkung des Predigers.
Man könnte villeicht bey der Übersicht des äusserst eingeschränkten Unterrichtes, den die Jugend zu Lauwyl in der Schule empfängt, dem Pfarrer den Vorwurf machen: Warum er denn nicht das Seinige zu einer bessern Vervollkommnung derselben beytrage? Allein er bittet zu bedenken: Wie sehr schwer es halte, einen 72 jährigen, mit Vorurteilen für das Alte eingenommnen, und im angewähnten Schulschlendrian ergrauten Manne andre Grundsätze beyzubringen. Zwar giebt der arme, ehrliche Greis seinen Schülern getreulich wieder, was er ehmals von seinem Lehrer empfangen hat, welches freylich wenig genug ist; er versieht sein schweres und mühseliges Amt mit einer Treue und Gewissenhaftigkeit, die ihm Ehre macht; und doch fehlt es ihm, bey aller angewandten Mühe und Anstrengung an einer guten Lehr-Methode. Z: E: Die Auswahl der Schulbücher verursacht ihm wenig Kopfzerbrechens. Calender, Bänkelsängerlieder, Obligationen, Handschriften, uralte Gebetbücher — alles ist ihm willkommen, wenn's nur schwarz auf weiss gekleckset ||[Seite 5] ist. Die Kinder selbst lesen ihre Lektionen frohnsmässig, in einem ganz eignen und unerträglichen Schultone her; sie beten die Schwänke des lustigen Schweizers und Bernerkalenders mit der gleichen Andacht und mit gefaltnen Händen her, wie die Biebel und andre Erbauungsbücher. Wer seinen Namen, (freylich oft elend und erbärmlich genug) hinkratzen kann, der gehört schon in die Classe der Literaten, und es muß für einen Liebhaber der AntiOrtografie ein wahres Vergnügen seyn, wenn er die grossen und kleinen Buchstaben in der lächerlichsten Mischung durch einander lesen kann, wie z: B: wolenbaurG, statt: Wallenburg; strigg RichTer, statt Distrikts-richter, oder: JoGygy Uogt, anstatt: Joggj Vogt, denn das unschuldige V ist, ich weiß nicht warum, aus dem Lauwyler-Alfabet gänzlich verbannt, und da ich es einführen wollte, machte man grosse Augen und wäre schier geneigt gewesen mich als einen Ketzer und Heterodoxen zu behandeln; einige können auch singen, daß einem die Ohren gellen, und man braucht eben kein Gluck oder Händel zu seyn, um bey dieser Musik entweder vor Lachen beynahe zu bersten, oder vor Ärgerniss zu zerplatzen.
Diese elende Auferziehung, welche die Lauwyler empfangen, äussert sich auch in ihrem, sowol häuslichen, als gesellschaftlichen Leben. Sehr viele unter ihnen (es giebt jedoch auch einige Ausnahmen) sind grob, ungesittet im Umgange, zänkisch und mißgünstig; in ihren Häusern sowol als an ihrem Leibe scheinen sie in der äussersten Unreinlichkeit mit den Ostiaken und Hottentotten zu wetteifern, und ihre Kinder laufen auf den Gassen, halbnackend, mit Schmutze geschminkt, wie Wilde umher; überhaupt stellt dieses unglückliche Dorf das traurige Bild der tiefsten Armuth vor, und bestätiget die schon oft gemachte Erfahrung: daß Dürftigkeit, ||[Seite 6] Unreinlichkeit, Barbarey und Unwissenheit einander gemeiniglich zu Gefährten haben!
Sollte Jemand diese Beschreibung, sowol der Schule zu Lauwyl, als seiner Einwohner für übertrieben halten, der kann sich durch den Augenschein davon selbst überzeugen. Jch hätte herzlich gerne ein vorteilhafteres Bild davon entworfen, aber dann würde {ich} kein wahres, sondern ein geschmeicheltes dargestellt haben; und ich denke immer: man muß dem Arzte den Schaden ungescheut zeigen, und wenn er auch noch so eckelhaft aussähe, sonst kann unmöglich geholfen werden.
Soll nun das wolthätige Licht der Aufklärung die Finsternisse der Barbarey und Unwissenheit in diesem Dörfchen zerstreuen, so müsste nach meiner unmaasgeblichen Mejnung, der bisherige schwache und abgelebte Schullehrer, gegen eine, seinen langen und mühsamen Arbeiten angemessene Entschädigung seines Dienstes entledigt, und an dessen Stelle ein junger, geschickter thätiger und unterrichts-begieriger Mann gesetzt werden; dann hoffe ich, in Vereinigung mit demselben die Einwohner Lauwyls, oder wenigstens die Jugend desselben, mit der Hülfe Gottes nach und nach geschickter, tugendhafter, und folglich besser und glücklicher zu machen; ich verspreche meinerseits, alles, was in meinen geringen Kräften stehet, zur Bildung des künftigen Lehrers bey zutragen!

Unterschrift

Brezwyl, den 20.n Februaris 1799.
Gruss und Hochachtung. T: A: Merian, Pfarrer der Gemeinen Brezwyl und Lauwyl.

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