Amriswil (Transkription Nr. 85)

Schulort: Amriswil
Konfession des Orts: reformiert
Signatur der Quelle: BAR B0 1000/1483, Nr. 1463, fol. 307v-309v
Standort: Bundesarchiv Bern
Kanton 1799: Thurgau
Distrikt 1799: Bischofszell
Agentschaft 1799: Amriswil
Kirchgemeinde 1799: Amriswil
Ort/Herrschaft 1750: Gemeine Herrschaft Thurgau (Gerichtsherrschaft der Stadt St. Gallen)
Kanton 2015: Thurgau
Gemeinde 2015: Amriswil
In dieser Quelle wird folgende Schule erwähnt:
  • Amriswil (Niedere Schule, reformiert)

23.02.1799

Amrischweil Reformiert

I. Lokal-Verhältnisse.
I.1 Name des Ortes, wo die Schule ist.

Amrischweil ist eine eigne Gemeine und Agentschaft.

I.1.a Ist es ein Stadt, Flecken, Dorf, Weiler, Hof?
I.1.b Ist es eine eigene Gemeinde? Oder zu welcher Gemeinde gehört er?
I.1.c Zu welcher Kirchgemeinde (Agentschaft)?
I.1.d In welchem Distrikt?

gehört zu dem Distrikt Bischoffzell in Canton Thurgaü

I.1.e In welchen Kanton gehörig?
I.2 Entfernung der zum Schulbezirk gehörigen Häuser. In Viertelstunden.

Es ist keines über eine 1/4 Stund entfernt.

I.3 Namen der zum Schulbezirk gehörigen Dörfer, Weiler, Höfe.

Diese sind bey mir nicht möglich zu bestimmen, weil Kinder aus einem Dorfe verschiedene Schulen besuchen Z: Bp: ||[Seite 2] Reüchlisberg ist eine 1/4 Stund entfernt, woher in meiner Schul nur 6 Kinder kommen, die übrigen gehen ein Theil auf Müllibach, Hemmerschweil, u: Schocherschwiel, Hölzli, ist 1/2 Viertel Stund entfernt, wo ungefehr 6 Haüser sind, diese schicken ihre Kinder; bald auf Amrischwill, Hemrischweil und Reüti, nachdem es ihnen in den Kopf komt: Gizenhauß ist eine 1/2 Viertelstund entfernt, sind 5 Haüsern, daher kommen 9 Kinder in die Schule

I.3.a Zu jedem wird die Entfernung vom Schulorte, und
I.3.b die Zahl der Schulkinder, die daher kommen, gesetzt.
I.4 Entfernung der benachbarten Schulen auf eine Stunde im Umkreise.
I.4.a Ihre Namen.

Die ganze Kirch gemeine Someri und Amrischweil ist im durchschnitt eine Stunde, worinn 10 Schule sind Amrischweil Hemrischweil, und Reüti, sind eine 1/4 Stund im Bezirck, und doch ist in einem jeden Dorfe eine Schule, ferner: Müllibach, Schochersweil, Biesenhofen; Keine Kümertshausen, Engishoffen, Oberaach und Hefenhofen: Keine von diesen Schulen ist über eine 1/4 Stund, von einer Benachbarten entfernt.

I.4.b Die Entfernung eines jeden.
II. Unterricht.
II.5 Was wird in der Schule gelehrt?

Beten, Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen, die Anfangsgründe der Religion, und Sittenlehren.

II.6 Werden die Schulen nur im Winter gehalten? Wie lange?

Weil der Schullohn von den Eltern eines jeden Kinds abhangt, so wird die selbige gehalten so lang, als es die Anzahl der Kinder erleiden mag, sonst gemeiniglich bis Ende Brachmonats.

II.7 Schulbücher, welche sind eingeführt?

Was die Kinder in der Schul zum lernen brauchen bringen selbige mit von Haus, und die sind meistens Catechis mi ,Zeügnißen, Psalmenbücher, Testamenter, auch manchmal andre hundertjährige zum lernen nicht nutzliche Bücher, welche viel mal mit Verdruß müßen zurück gewiesen werden.
Besondre Schul-bucher muß sich der Schul-Meister selbst en anschaffen, und die sind, ein Schul- und Gebet Büchlein, gestellt von einem fromen alten Bürger Pfarrer Waser in Bischoffzell Gellerts und Lavatters Lieder, auch das neüe Gesang Buch von Zurich, Federsen, und andre Beyspiele der Mor: oder Sittenlehre.

II.8 Vorschriften, wie wird es mit diesen gehalten?

Die meisten Vorschriften werden aus obigen Büchern gezogen, ausgenohmen was das Auswendig schreiben anbetrift; wegen Briefen und andere Sachen, dieß wird den Kinderen dictiert oder Pläne vorgemacht.

II.9 Wie lange dauert täglich die Schule?

von morgends 8 bis 11 Uhr. Nachm: v 1 bis 4 Uhr

II.10 Sind die Kinder in Klassen geteilt?

Die Anzahl der Schul Kinder ist bald mehr bald weniger; von 20. 30. 40 auch bey Frühlingszeit wann etwan eine benachbarte Schul zum Ende gegangen, bis 60 Kinder, dißmal sind 22 Knaben und 20 Töchteren, diese sind in Classen eingetheilt so viel möglich, die verschiedenen Lehrbücher hindern solches viel mal.

III. Personal-Verhältnisse.
III.11 Schullehrer.
III.11.a Wer hat bisher den Schulmeister bestellt? Auf welche Weise?

Die Gemeine. Jch wurde 1780 erwählt, mein Alter war damahls 19 Jahr, musste von einem B: Pfarrer Fehr in Gegenwart eines ganzen Kirchen Ausschußes examinert werden, eine damahls errichtete SchulOrdnung erforderte solches, selbige wurde aber, weil sie kein Unterstüzung fande kurz nachher in den Wind geschlagen, und sinther wurden die von den besondern Dörfern erwählte n Schulmeister n nur dem B: Pfarrer vorgestellt.

III.11.b Wie heißt er?

||[Seite 3] Mein Name ist am Ende zu sehen, meine Eltern, und Voreltern sind jederzeit von Amrischweil gebürtig gewesen, ich verheürathete mich im 22 Jahr meines Alters, erzeügte sinther 13 Kinder, von welchen noch 7 am Leben {sich} befinden, nemlich 4 Knaben und 3 Töchtern, unter denen ein Knab von 14 Jahren und einer von 8 Jahren gutte Geistes-Gaaben besitzen, und mir wegen ihren Fähigkeiten und Lern begierde viele Freüde machen, die übrigen sind außert einem Töchterlin alle noch minderjährig — Jch wurde 1788. von E: E: Kirchen-Ausschuß einhellig zum Vorsinger in die Kirche zu Someri und Amrischweil erwählt — Also war mein Schul Dienst 19 Jahr und mein Alter ist 38 Jahr.

III.11.c Wo ist er her?
III.11.d Wie alt?
III.11.e Hat er Familie? Wie viele Kinder?
III.11.f Wie lang ist er Schullehrer?
III.11.g Wo ist er vorher gewesen? Was hatte er vorher für einen Beruf?
III.11.h Hat er jetzt noch neben dem Lehramte andere Verrichtungen? Welche?

Verrichtungen neben dem Lehr-Amte können nicht viele gemacht werden, als solche welche zum Täglichen Hauswesen unumgänglich nothwendig sind, bey einem so ungewißen und kleinen Lohn muß man sehn womit man ihn etwa verbeßern.

III.12 Schulkinder. Wie viele Kinder besuchen überhaupt die Schule?

Die Anzahl der Schul Kinder ist bald mehr bald wenniger; von 20. 30. 40. auch bey Frühlingszeit wann etwan eine benachbarte Schul zum Ende gegangen, bis 60 Kinder, dißmal sind 22 Knaben und 20 Töchteren, diese sind in Classen eingetheilt so viel möglich, die verschiedenen Lehrbücher hindern solches viel mal.

III.12.a Im Winter. (Knaben/Mädchen)
III.12.b Im Sommer. (Knaben/Mädchen)
IV. Ökonomische Verhältnisse.
IV.13 Schulfonds (Schulstiftung)
IV.13.a Ist dergleichen vorhanden?
IV.13.b Wie stark ist er?
IV.13.c Woher fließen seine Einkünfte?
IV.13.d Ist er etwa mit dem Kirchen- oder Armengut vereinigt?
IV.14 Schulgeld. Ist eines eingeführt? Welches?

Ein jedes Schul Kind bezahlt wöchentlich 4 xr. und ein Armes (welches aus dem Armengut geschulet wird) nur 3 xr.

IV.15 Schulhaus.
IV.15.a Dessen Zustand, neu oder baufällig?
IV.15.b Oder ist nur eine Schulstube da? In welchem Gebäude?

Eine Schul Stube habe ich bey dem Antritt meines Amts in meinem Hause mit großen Unkosten einrichten laßen, selbige ist in der länge 24 Schuh in der Breite 12 Schuh, auf beyden Seiten stehen Tische, und an deßen Ende ist eine Orgel angebracht; die Stube ist mit 11 Fenster versehen, so daß man die Luft durchziehen laßen kan, welches in Ansehung der Gesundheit der Kinder sehr nützlich ist.

IV.15.c Oder erhält der Lehrer, in Ermangelung einer Schulstube Hauszins? Wie viel?

Nur das betrübte mich manchmahl, daß die Gemeine ohngeachtet all meines Bittens mir niemals weder Holz zum Einheizen, noch einen billichen Stuben Zins geben wolte. — Meine Schule besteht mehrentheils aus armen Kindern, welche manchmal nicht gut mit Kleidern versehen sind, Z: B: in der Kälte im Jenner habe ich um f. 6. 36 xr. Holz verbrauchen müßen, und innert dieser zeit, habe ich an Schullohn doch nicht mehr als f. 5. 30 xr. bezogen und doch eine eigne Haushaltung von 7 Kindern zu besorgen gehabt !!!

IV.15.d Wer muß für die Schulwohnung sorgen, und selbige im baulichen Stande erhalten?
IV.16 Einkommen des Schullehrers.
IV.16.A An Geld, Getreide, Wein, Holz etc.

An Gelt außer obigen Kreützer nichts, auch an Getreide nichts, und anstatt dem Wein habe ich Anlaß Waßer zu trincken, darzu bietet sich mir vor meinem Hause eine prächtige Quelle Dar.

IV.16.B Aus welchen Quellen? aus
IV.16.B.a abgeschaffenen Lehngefällen (Zehnten, Grundzinsen etc.)?
IV.16.B.b Schulgeldern?
IV.16.B.c Stiftungen?
IV.16.B.d Gemeindekassen?
IV.16.B.e Kirchengütern?
IV.16.B.f Zusammengelegten Geldern der Hausväter?
IV.16.B.g Liegenden Gründen?
IV.16.B.h Fonds? Welchen? (Kapitalien)
Bemerkungen
Schlussbemerkungen des Schreibers

||[Seite 4] ANMERKUNGEN Jn unsrer ganzen Kirch Gemeinde sind 10 Schulen wenigstens sind 3 überflüßig; Da muste immer eine der andern zur Geißel dienen; Wann die Zeit herbey kam, da die Schulen wieder ihren Anfang nehmen solten, giengen etliche Schullehrer zu den Eltern, hielten um ihre Kinder zum Unterricht an, und musten dabey viel mal versprechen, selbige nach der Eltern Willen zu lehren, damit banden sich die Lehrer die Hände, weil sie die Kinder nicht behandlen durften wie sie es villeicht nothig hatten; Und auch dardurch entstuhnde unter den Schlumeistern selbst vielmal Haß, weil der größere Hang in eine Schule, allemal eine benachbarte in Schaden und Verlegenheit sezte, das zeigte sich dann, wan etwan benachbarte Schullehrer zusammen kamen, wo sie mit einander von ihrem Lehr-Amte, über den Unterricht der Kinder reden solten, wie man ihre Gemüths-Art erforschen und kennen lernen müße, auch wie man ein jedes nach seinen an ihm findenden Eigenschaften zu behandlen trachten, und auf welche Art man den Kindern das Lernen angenehm machen könne, damit sie das, was sie lernen sollen nicht mit Zwang der Ruthen, oder mit Verdruß, sondern mit Lust und Freüde Lernen? Anstatt diesem dachten viele auf räthselhafte Sachen, damit wan sie bey einer Gesellschaft zusammen kommen, sich groß machen können, daß man sagen müße, der ist gelehrter als jener. — Es ist auch zu wünschen, daß die Schul Lehrer auch mehr Anhänglichkeit an die Geistlichen hätten, damit selbige ihnen mit nützlichen Büchern zum Lesen behülflich sein möchten, darvon habe ich Erfahrung daß sie es gerne thun, ich darf meinen B: Pfarrer nur bitten, so bekomme ich eins oder zwey, möchte ich aber zur Abwechslung noch mehrere haben, so gehe und bitte ich einen benachbarten B: Pfarrer außer unserer Gemeine um das, was ich mir zu Lesen wünsche, und noch keiner war abgeneigt, sondern freüten sich, wenn sie sahen, daß man seine Kentniße zu vermehren suche, um andern nützlich zu seyn. Auch bey der Bestellung der Schulen wünschte ich, man möchte doch auch auf Männer sehen, welche selbsten eine gutte Erziehung genoßen, und die in dieser Kunst auch selbst geübt sind, auch eine sanfte Gemüths-Art besizen, damit sie bey der Bestraffung der Boosheiten, und Lasterhaften Vergehungen der Kinder bedachtsam zu werke gehen, und nicht im Zorn und Hize einem Kinde einen gefährlichen Streich versezen, welchen man nachher Tausendmal bereüen müßte. Auch wäre es gewiß nützlich wann man es dahin bringen könte, daß ein Schul lehrer seinen bestimmten Lohn bekommen wurde, woraus er seinen Unterhalt sich anschaffen könte, damit er im Fall des Ausbleibens einiger Schulkinder, welches oft vilmal wegen ungünsiger Witerung geschieht, nicht in Gefahr komme darben zu müßen; Und dann dörfte ein Schullehrer den nachläßigen Eltern auch etwann eine Wahrheit ins Gesicht sagen, sonderheitlich denjenigen, welche ihre Kinder im Ungeziefer, an Leib und Kleider beschmuzt zur Schule schicken. ||[Seite 5] Und nun ist die Zeit ein mal gekommen, wo man auch auf das bedacht ist, zu verbeßern, was unter der Himmel Welt gewiß auch nothwenig ist, namlich die Schulen, damit man in künftiger zeit die Freüde habe, beßre und gesittetere Menschen in unsrem L: Vatterland anzutreffen, Sage man mehr, die Religion laufe Gefahr ausgetilgt zu werden, zu schanden müßen alle diejenigen werden, welche solches unter die schwachen Menschen ausstreüen, ihr Mund müße verstummen; diese verruchte Menschen, sammeln sich feürige Kohlen auf ihr Haubt, auf jenen Tag der Rechenschaft, welche diesen heilsamen Werck entgegen Arbeiten.
Lieber B: Minister ! und alle welche an diesem mühvollen Werck beschäftigt sind! Wie ville Arbeiten ligen auf Jhnen, wie weit ausgedehnt ist Jhr Wirckungskreiß, und O! wie ville hinderniße werden Jhnen nach in den Weg kommen! Aber, nur Muth gefaßt, daß Bewustseyn, ein Werck zu verrichten welches villen Tausend Menschen zur künftigen Glückseligkeit zu verhelfen zum Zweke hat, ja schon dieser Gedancke ist vermögend, sich über alle hindernisse hinweg zu sezen —
Der liebe Gott stehe Jhnen bey mit seinem Geiste, er gebe Weisheit Muth und Stärcke, daß Sie das weit umsehende beschwerliche Geschäft, mit frieden und freüden, mit gutem Erfolg betreiben, damit Sie schon hier in Zeit die Früchte Jhrer Bemühungen erfahren, und endlich am Tag der Vergeltung Jhnen Milionen Danck entgegen ströme: Heil Jhnen, Dann Sie haben viele Seelen gerettet. Jch empfehle mich Jhrer Liebe, und versichere, wann mich das Glück trift, ferner in meinem Berufe zu stehen, ich alles anwenden werde, Jhren Willen zu erfüllen, so gut es in meinen schwachen Kräften steht, Gruß und Achtung

Unterschrift

Amrischweil den 23 Febris 1799 J : Jacob Grundlehner Schul Mstr

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