Geographische Gliederung der Helvetischen Republik

 

La République helvétique est une et indivisible (erster Satz der Verfassung der Helvetischen Republik vom 12. April 1798)

La nature a fait votre Etat fédératif. Vouloir la vaincre ne peut pas être d’un homme sage (Schreiben von Napoleon Bonaparte an die schweizerischen Deputierten in Paris vom 10. Dezember 1802)

 

Einleitung

Die Helvetik war eine Zeit, in der die erstarrten Formen der alten Eidgenossenschaft durch inneren und äusseren Druck aufgelöst wurden und während kurzer Zeit ein neuer Anfang versucht wurde, der dann schliesslich nach langem Ringen eine Verbindung von Altem und Neuem brachte. Es wurde versucht, ein Mosaik von historisch gewachsenen Territorien unterschiedlicher Rechte und Beziehungen durch eine neue Territorialeinteilung auf rationaler Grundlage zu ersetzen. Karten zeigen Grenzen, und besonders in Zeiten der Umwälzung sind diese von besonderer Bedeutung. Auch für Johann Friedrich von Ryhiner war die Darstellung der inneren Gliederung eines Staates von grosser Wichtigkeit. Die während der Zeit der Helvetik veröffentlichten, allerdings nicht sehr zahlreichen Karten entstanden vor dem Hintergrund stetig wechselnder Gebietseinteilungen, die durch die damalige Kartenproduktion nur teilweise nachvollzogen werden konnten.

 

Abb. 1

 

 

Die wichtigste und genaueste Karte der Helvetik, der Atlas Suisse, erschien zwischen 1796 und 1802. Er umfasst 16 Blätter im Massstab 1:120000. In den vor 1798 erschienenen Blättern sind die Grenzen enthalten, später wird jedoch teilweise auf deren Einzeichnung verzichtet. In Kartentiteln werden Namen helvetischer Kantone genannt (Blatt 2, 1800: Aargau; Blatt 4, 1800: Säntis; Blatt 5, 1801: Léman; Blatt 9, 1798: Léman; Blatt 15, [1801]: Bellinzona und Lugano).

 

Der Zusammenbruch der 13-örtigen Eidgenossenschaft

In den Monaten Januar bis April 1798 haben sich in der Schweiz im Innern grosse Veränderungen abgespielt. Schon am 24. Januar wurde die Republik Léman ausgerufen. In der Folge wurden die Untertanengebiete von den regierenden Orten auf Druck von unten in die Freiheit entlassen und bildeten nun eigene kleine Republiken. Es entstand spontan eine föderalistische Schweiz von über vierzig selbständigen grösseren und kleineren Staaten. In Basel kam es am 20. Januar zum friedlichen Verzicht auf die Vorherrschaft der Stadt über das Land. Andere Städteorte folgten. Der militärische Einmarsch der Franzosen störte diese innere Umwandlung nachhaltig und führte auf verschiedenen Gebieten zu einer Fremdbestimmung. 

 

Der französische General Guillaume Brune wollte die Schweiz in drei Staaten aufteilen. Am 16. März proklamierte er die Rhodanische Republik (Léman, Sarine et Broye [= Freiburg], Oberland, Wallis, Tessin) und am 19. März die Helvetische Republik (12 Kantone des Mittellands, darunter der Kanton Bern, non compris l’Argovie, l’Oberland, le Pays-de-Vaud et les territoires de Morat et de Nidau). Die Innerschweiz und Graubünden sollten zu einem Tellgau zusammengefasst werden, der im Gegensatz zu den beiden anderen zentralistischen Staaten föderalistisch bleiben würde. Als Hauptstädte wurden Lausanne, Aarau und Schwyz oder Altdorf in Betracht gezogen.

 

Abb. 2

 

 

Die Erste Helvetische Verfassung

Nun zwangen die Franzosen der Helvetischen Republik den Verfassungsentwurf von Peter Ochs vom Januar 1798 auf. An der Gebietseinteilung, die ausdrücklich als provisorisch galt, wurden keine grossen Änderungen vorgenommen. Die Kantone wurden jedoch zu reinen Verwaltungseinheiten degradiert – sie waren eine Art Departemente, die von einem Regierungsstatthalter (Préfet) verwaltet wurden.

 

Von den regierenden Orten wurde einzig der grosse Kanton Bern beschnitten, indem die Waadt und der Aargau abgetrennt wurden. Die Zugewandten Orte waren als selbständige Kantone vorgesehen. Um Bern nach dem Verlust des Unteraargaus und der Waadt noch weiter zu demütigen, wurde am 16. März – auf Druck der Franzosen – auch noch das Oberland abgetrennt und daraus ein neuer Kanton mit der Hauptstadt Thun gebildet. Der vorgesehene Anschluss von Baden und den Freien Ämtern an Zug wurde am 11. April durch die Schaffung eines Kantons Baden hinfällig.

 

Die Gebietseinteilung ist auf einer anonymen Karte dargestellt (Umriss von der Schweiz nach der neuen Eintheilung von 1798). Ein Kanton Thun (= Oberland) ist verzeichnet, der Kanton Zug umfasst noch den späteren Kanton Baden. Sie zeigt also den Stand zwischen dem 16. März und dem 11. April 1798 (Abb. 1). Die erste Helvetische Verfassung wurde am 12. April 1798 in Aarau von den Vertretern der dort anwesenden zehn Kantone angenommen. Weil die Innerschweiz und die neuen Staaten in der Ostschweiz die Annahme der Helvetischen Verfassung verweigerten, wurden diese durch ein Ultimatum zur Annahme gezwungen und diejenigen Orte, die trotzdem Widerstand leisteten, in einem blutigen Feldzug unterworfen. Noch bevor deren Gesandte in Aarau eingetroffen waren, wurde für die aufständischen Gebiete eine neue Gebietseinteilung vorgenommen, mit dem Zweck, die Anzahl der Kantone und damit auch die Verwaltungskosten zu verringern und durch die Aufhebung der kleinen Kantone deren Einfluss zu beschneiden. Ebenfalls sollte der Kantons- und Lokalgeist bekämpft werden, der dem Ideal der Gleichheit aller Bürger und der Entstehung eines helvetischen Nationalbewusstseins entgegenstand. Diese Einteilung wurde schliesslich nach französischem Diktat vorgenommen.

 

Diese veränderte Einteilung der Schweiz nach dem 4. Mai 1798 zeigt die Karte von Wilhelm Haas (Abb. 2), die im August 1798 herausgegeben wurde (Der Helvetischen Republik neue Cantone und Districte Eintheilung nach den gesetzlichen Beschlüssen. Dem Vollziehungs-Directorium gewiedmet von Wilhelm Haas dem Sohne, in Basel, im Augstmonat 1798). Sie erschien am 15. August 1800 auch als Beilage zum Schweizer Boten. Als helvetischer Grossrat gehörte sein Vater Wilhelm verschiedenen Kommissionen für Gebietseinteilungen der Kantone an. Wilhelm Haas hatte also durch die Tätigkeit seines Vaters Zugang zu den neuesten Informationen. Ebenfalls 1798 erschien die Carte de Suisse suivant sa nouvelle division en XVIII cantons formant la République Helvétique des Ingenieur-Geographen Henri Mallet. Sie zeigt den Stand nach dem 26. Mai 1798 (Abb. 3). Im Ausland galt diese Karte damals als erste Karte, die die neue Einteilung der Helvetischen Republik zeigte.

 

Für die 1798 erschienene Karte des Basler Kupferstechers und Kunstverlegers Christian von Mechel Carte générale de la Suisse suivant ses nouvelles divisions, qui comprennent les ci-devant XIII cantons, leurs Alliés et Sujets, et forment actuellement la République Helvétique une et indivisible wurden die provisorischen Grenzen der Helvetischen Republik nicht gedruckt, sondern nur von Hand eingetragen, da anzunehmen war, dass diese ohnehin wieder änderten. Auf der Karte findet sich die Bemerkung: Ces nouvelles divisions de la Suisse n’étant encore que provisoires, on n’a pas gravé sur la Carte les dénominations respectives des

 

Die Einteilung der Kantone in Distrikte

Die Einteilung der Kantone in Distrikte beschäftigte das helvetische Parlament sehr lange. Beide Kammern (Grosser Rat und Senat) mussten zustimmen, und für jeden Kanton wurden spezielle Kommissionen eingesetzt. Es wurde darauf geachtet, dass alle Distrikte unter dem Argument der Gleichheit möglichst gleich gross waren und je etwa 10000 Einwohner aufwiesen. Der Kanton Aargau war schon am 16. März durch dessen provisorische Nationalversammlung in fünf Distrikte eingeteilt worden. Als erster Kanton wurde am 21. April der auf das Mittelland beschränkte Kanton Bern in fünfzehn Distrikte eingeteilt, die übrigen Kantone folgten bis im Juli. Wegen der Langsamkeit der Distriktseinteilung kam es zu Klagen, da wegen der fehlenden Verwaltung Unzufriedenheit und Unruhe entstünden. 

 

Abb. 3

 

Die Schweizer Karten von Haas (siehe oben) und die Karte im Helvetischen Almanach (Helvetische Republik, Eingetheilt in Cantone und Districte, 1799) zeigen die Distriktsgrenzen. Auch Karten von einzelnen Kantonen sind im Helvetischen Almanach vorhanden (z.B.: 1802: Bern, nur das Mittelland umfassend, jedoch ohne Distriktsgrenzen). Eine satirische Zeichnung einer Distriktskarte des Kantons Bern (Abregé du Canton de Berne fait par le General Brune) ist im "Moralisch-politischen Kurier" (Bern, 1798) des Berner Künstlers Balthasar Anton Dunker zu finden. Die Kommission für eine neue Gebietseinteilung am 8. Mai 1798 wurde vom Grossen Rat eine Kommission eingesetzt, um eine zweckmässige Einteilung Helvetiens zu studieren. Die neu angestrebte Gebietseinteilung beruhte ganz auf rationaler Grundlage. Es sollten Verwaltungseinheiten entstehen, die in Fläche, Bevölkerung und wirtschaftlicher Bedeutung möglichst gleich wären. Die Keime des Föderalismus und der Oligarchie sollten damit für immer ausgerottet werden.

 

Um die nötigen statistischen Grundlagen für die neue Gebietseinteilung zu erhalten, unternahm die Helvetische Republik 1798 eine Volkszählung, die erste, die die ganze Schweiz umfasste. Auch wurden in der ganzen Schweiz Karten gesammelt. In der Westschweiz war Ferdinand Rudolf Hassler, in Zürich und den benachbarten Kantonen Salomon Escher damit beauftragt. Auch auf die Kartensammlung von Ryhiners wurde Hassler aufmerksam. Die Kommission des Grossen Rates lieferte am 3. Dezember 1798 ihren Bericht ab. Sie schwankte zwischen zwei Lösungen. Die Kommissions-Mehrheit wollte elf Kantone mit je 160000 bis 170000 Seelen bilden. Als Hauptgründe für die Verminderung der Kantone nannte sie die Verwirklichung der Gleichheit und die Verminderung der Zahl der öffentlichen Beamten. Die Kommissions-Minderheit sah zehn Kantone oder Gaue mit gleicher Bevölkerung vor. Auf alte Grenzen, Namen und Hauptorte sollte keine Rücksicht genommen werden, damit die traditionellen territorialen Anhänglichkeiten vergessen würden. Die Bezeichnung «Gau» sollte auf die Zeit vor der Eroberung Helvetiens durch die Römer hinweisen. In einem später von Wilhelm Haas verfassten Gutachten für die Kommissions-Minderheit waren folgende Kantone vorgesehen: Hauenstein, Rheinfall, Ober-Aar, Léman, Rhonequelle, Tessin, Reussquelle oder Vierwaldstätter See, Linth, Hoher Säntis oder Thur, Rätien oder Rheinquellen. Die Kommission des Senats sah am 31. Juli 1799 eine Einteilung in neunzig möglichst gleiche Bezirke mit je 4000 Aktivbürgern vor. Am 17. September empfahl eine Kommission des Grossen Rates die Annahme des Senatsbeschlusses, doch dieser und der Senat vertagten das Ganze. In der Schweiz konnte eine solche Idee wegen der Verschiedenheit des Geländes, der dadurch bedingten unterschiedlichen Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Stärke kaum durchgeführt werden. Dies war übrigens selbst in Frankreich nicht möglich gewesen. Zu Beginn der Französischen Revolution bestanden Pläne, das Land rein geometrisch in Quadrate einzuteilen, die dann wieder jeweils in neun Quadrate als Untereinheiten geteilt wurden, so weit dies gemäss den natürlichen Gegebenheiten möglich war. Man wollte in Frankreich ursprünglich die alten regionalen Einheiten völlig zerschlagen und gleichmässige Einheiten schaffen, folgte aber dann im Einzelnen doch den alten Grenzen und nahm auf lokale Gegebenheiten Rücksicht.  

 

Abb. 4

 

 

Auswirkungen des Zweiten Koalitionskrieges (1799 bis 1802)

Während der vorübergehenden Besetzung der Ost- und Zentralschweiz im Zweiten Koalitionskrieg im Jahre 1799 brach die Helvetik in diesen Gebieten sofort zusammen, und es kam zu Bestrebungen, die alte Ordnung ohne Reformen wieder einzuführen, was natürlich zum Widerstand der ehemaligen Untertanengebiete führte. Nach dem Rückzug der Österreicher und Russen vor den französischen Truppen wurde die helvetische Verwaltung erneut eingeführt.

 

Eine zentralistische oder eine föderalistische Schweiz?

Im helvetischen Parlament bildeten sich zwei Hauptparteien. Die Patrioten wollten den Staat möglichst unitarisch und zentralistisch gestalten. Ein Teil der Unitarier, die Republikaner, vertraten eine städtische Elite. Die zweite, föderalistische Partei wollte den einzelnen Kantonen mehr Selbständigkeit geben und die traditionelle Gebietseinteilung möglichst beibehalten. Diese Gruppen lösten sich in vier Staatsstreichen ab und arbeiteten verschiedene Verfassungen aus, die aber nie grössere Auswirkungen zeitigen konnten. Entscheidend war für jede dieser beiden Parteien die Unterstützung durch Frankreich, das sich im Laufe der Zeit immer mehr von den Zentralisten ab- und den Föderalisten zuwandte.

 

Am 8.Januar 1800 setzten die Räte unter Führung der Republikaner im Ersten Staatsstreich das Direktorium ab. Am 15. Januar 1800 legte die Senatskommission zwei Verfassungsentwürfe vor. Die republikanische Mehrheit schlug eine Einteilung in Departemente vor, die in je neun Distrikte von 4000 Aktivbürgern unterteilt wären; die patriotische Minderheit wollte auf die Departemente als oberste Verwaltungseinheiten verzichten. Die Verfassung vom 5. Heumonat (Juli) 1800, die einzige Verfassung, die ohne französische Pression ausgearbeitet worden war, folgte schliesslich dem Antrag der Minderheit. Es hiess darin in Artikel 20: Helvetien ist in Bezirke und Vierttheile eingetheilt und in Artikel 21: Jeder Bezirk begreift beiläufig viertausend Activbürger und jeder Vierttheil beiläufig tausend. Das Gesetz wird die Grenzen und Namen der Bezirke und Vierttheile bestimmen.

 

Um die Einsetzung einer zentralistischen Verfassung nach der Vorstellung der jakobinischen Patrioten zu verhindern, schritt die republikanische Minderheit mit Rückendeckung Frankreichs zum Zweiten Staatsstreich vom 7. August 1800. Sie löste den Senat und den Grossen Rat auf. Die Republikaner sicherten sich darauf im Vollziehungsrat und im Gesetzgebenden Rat die Mehrheit. Der Versuch, die Territorialeinteilung der Schweiz völlig abstrakt ohne Einbezug der Tradition zu planen, war nun zu Ende.

 

Abb. 5

 

Am 8. Januar 1801 präsentierte der helvetische Innenminister Albrecht Rengger einen Verfassungsentwurf, nach dem es mindestens vierzehn Kantone und neunzig bis hundert Distrikte gegeben hätte. Dieser Entwurf wurde Napoleon Bonaparte vorgelegt, aber von diesem missbilligt. Wegen der ständigen Querelen um die Verfassung, überreichte Napoleon Bonaparte im Schloss Malmaison westlich von Paris, den helvetischen Gesandten am 9. Mai 1801 in ultimativer Form die so genannte Verfassung von Malmaison. Die Verfassung wurde am 30. Mai 1801 verkündet. Siebzehn Kantone mit Bern als Hauptstadt waren vorgesehen. Alle dreizehn Alten Orte wurden wieder hergestellt, allerdings zum Teil beträchtlich vergrössert. Die Gemeinen Herrschaften wurden einzelnen Alten Orten zugeschlagen.

 

Die helvetische Tagsatzung sollte das Projekt annehmen. Die im Sommer 1801 auf der Basis der Malmaison-Verfassung vorgenommenen Wahlen ergaben eine Mehrheit der Unitarier, welche die Verfassung gegen den Willen des Ersten Konsuls in ihrem Sinn zu revidieren begannen. Die Gebietseinteilung blieb allerdings gleich, ausser dass ein Kanton Thurgau gefordert wurde und man das Wallis nicht abtreten wollte. Für die «Italienischen Vogteien» wurde der Name «Tessin» gewählt. Die Kantone arbeiteten eigene Verfassungen aus.

 

Auf der 1801 in Zürich bei Füessli & Comp. erschienenen Neuen Charte von Helvetien = Nouvelle Carte de l’Helvetie tragen die Kantone keine Namen, und ihre Grenzen sind nur mit einem Pinselstrich gezogen, nicht gestochen (Abb. 4). Ihre Hauptorte sind rot bezeichnet. Die Grenzen entsprechen der Ersten Helvetischen Verfassung. Graubünden wird noch nicht zur Schweiz gerechnet. Das Wallis wurde wegen seiner strategischen Lage als wichtiges Passland – Ausbau der Simplonstrasse durch Napoleon Bonaparte – 1802 ein selbständiger Staat von Frankreichs Gnaden. Neuenburg hingegen blieb bis 1806 preussisches Fürstentum. 1802 erschien die Karte La République Helvétique ou sont distingués les cantons qui la composent suivant les derniers décrets, von Henri Mallet, die die Gebietseinteilung der revidierten Malmaison-Verfassung wiedergibt. Die gleichen Grenzen mit kleinen Abweichungen zeigt die Karte Die Helvetische Republik nach ihrer neuesten geographischen Verfassung im Jahre 1802, erschienen in Weimar im Verlage des Landes-Industrie-Comptoirs.

 

Der föderalistische Dritte Staatsstreich vom 28. Oktober 1801 setzte den Verfassungsplänen der Unitarier ein Ende. Die Föderalisten setzten den die Zentralgewalt betreffenden Teil der Malmaison-Verfassung sofort in Kraft und revidierten die Verfassung diesmal in föderalistischem Sinn. Ab November 1801 gab es neue Debatten über die Gebietseinteilung, in welcher eine Übereinstimmung mit der alten Einteilung gesucht wurde. Am 5. November 1801 wurde die Stelle des Regierungsstatthalters des Kantons Waldstätten abgeschafft, und damit wurden die vier Kantone Schwyz, Uri, Unterwalden und Zug wieder hergestellt. Der Senat nahm am 27. Februar 1802 eine föderalistische Verfassung an, die einundzwanzig Kantone vorsah.

 

Im Vierten Staatsstreich vom 17. April 1802 wurden die Föderalisten durch die Unitarier wieder ausgeschaltet und die Verfassung vom 27. Februar 1802 ausser Kraft gesetzt. Eine Notablenversammlung setzte eine Verfassungskommission ein, die auf der Basis der Verfassung von Malmaison, aber etwas zentralistischer, die Zweite Helvetische Verfassung vom 25. Mai 1802 ausarbeitete. Es wurde ein Kompromiss zwischen Föderalisten und Unitariern gesucht. Achtzehn Kantone waren vorgesehen. Der westliche Teil des Amtes Aarburg wechselte nun von Bern zum Aargau, und das Obere Freiamt und Merenschwand wurden zu Zug geschlagen. Die Waadt erhielt von Freiburg die Distrikte Payerne und Avenches. Über diese Verfassung fand Anfang Juni die erste gesamtschweizerische Volksabstimmung statt. Obwohl die ablehnenden Stimmen überwogen, wurde die Verfassung als angenommen erklärt, da die Zahl der Nichtstimmenden als Annehmende gezählt wurden. Am 20. Juli beschloss der Vollziehungsrat auf Grund der angenommenen Verfassung die Statthalterschaften der Kantone Bern und Oberland, Aargau und Baden sowie Lugano und Bellinzona zu vereinigen. Schon am 11. November 1802 trennte er aber die letztgenannten Kantone wieder. Der zwischen dem 20. Juli und 8. August 1802 durchgeführte Abzug der französischen Truppen machte die Schwäche der helvetischen Regierung offenbar und führte überall zu Aufständen. Nach dem erneuten Truppeneinmarsch der Franzosen am 21. Oktober 1802 konnte schliesslich Napoleon Bonaparte der Schweiz am 19. Februar 1803 die Mediationsakte aufzwingen, welche am 15. April 1803 in Kraft gesetzt wurde.

 

Als Beispiel einer Karte der Schweiz, die die Situation von 1803 wiedergibt, sei die Carte générale de la Suisse oder Die Helvetische Republik in XIX Cantone eingetheilt: beschlossen in Paris den 19. Februar 1803, (Augsburg, 1803) erwähnt und als Beispiel einer Kantonskarte die Carte von dem Canton Argau, eingetheilt in 11 Bezirk und 48 Kreise. Nach dem Beschluss des Grossen Raths in Arau vom 30. Juni 1803 von Johann Jakob Scheurmann, Aarau 1803.

 

Die Hauptstadtfrage

Ein zentralistischer Staat wie die Helvetische Republik brauchte im Gegensatz zum Staatenbund der Alten Eidgenossenschaft eine Hauptstadt. Zur ersten Hauptstadt wurde am 3. Mai 1798 Aarau auserkoren, wo ja auch die letzte Tagsatzung der Alten Eidgenossenschaft stattgefunden hatte. Da dieser Ort die nötige Infrastruktur für eine Hauptstadt nicht besass, wurden sofort Anstrengungen unternommen, diesen Mangel auszugleichen, indem ein neues Regierungsviertel geplant wurde. Ein Plan von Scheurmann zeigt die Hauptstadt Aarau: Grundriss von Arau, 1798 (Abb. 5). Das Dekret über die Erhebung Aaraus zur Hauptstadt wurde jedoch wiederum zurückgenommen und am 7. August Luzern zum neuen Sitz der Regierung erkoren. Am 20. September fand die letzte Sitzung in Aarau und am 4. Oktober die erste Sitzung in Luzern statt. Als diese Stadt während des Zweiten Koalitionskrieges in die Nähe des Frontbereichs geriet, sah sich die helvetische Regierung gezwungen, ihren Sitz am 28. Mai 1799 nach Bern zu verlegen, von wo sie am 23. September 1802 nach Lausanne floh. Am 18. Oktober kehrte sie wieder nach Bern zurück und blieb dort bis zu ihrer Auflösung am 10. März 1803. Als durch die Mediationsakte die Schweiz wieder ein Staatenbund mit nur lockerem Zusammenhalt wurde, war eine einzelne Hauptstadt nicht mehr nötig, und der Regierungssitz wechselte jährlich unter den sechs Vororten.

 

Schlussbemerkung

Die Grenzen der 1803 zur Schweiz gehörenden Kantone sind bis heute praktisch unverändert geblieben. Hingegen wurden die Änderungen des Wiener Kongresses von 1815, die den Zuwachs der Kantone Wallis, Neuenburg und Genf brachte, teilweise korrigiert. Der damals festgelegte Doppelstatus Neuenburgs als preussisches Fürstentum und schweizerischer Kanton wurde 1857 endgültig aufgehoben und die Zuteilung des ehemaligen Bistums Basel an den Kanton Bern teilweise wieder rückgängig gemacht. Die Distrikte wurden 1803 z.B. im Aargau, in Zürich und Bern durch andere Gebietseinteilungen ersetzt, doch das Prinzip der Distriktseinteilung bildet die Grundlage der heutigen Einteilung der Kantone in Bezirke.

 

Auch in der Frage der Gemeindeeinteilung wirkt die Helvetik nach. Da in den damaligen gedruckten Karten die neuen Gemeindegrenzen noch nicht festgehalten wurden, soll hier jedoch nicht weiter darauf eingetreten werden.

 

Die Helvetik musste scheitern. Ein wichtiger Grund bestand darin, dass für die vielen hochfliegenden Pläne die nötigen finanziellen Mittel nicht vorhanden waren. Ein weiterer Grund war die Instabilität der helvetischen Regierung und die fremden Interventionen in der Schweiz, die eine geordnete Verwaltungsarbeit verunmöglichten. So wurde eigentlich nur zu Beginn der Helvetik Neues geschaffen. Napoleon Bonaparte berücksichtigte ab 1801 bewusst die Verhältnisse vor 1798. Mit der Mediation (1803) schuf er einen föderalen Staatsaufbau und stellte die Vorherrschaft der Städte in den alten Kantonen wieder her: Immerhin beliess er die alten Untertanengebiete als neue Kantone.

 

Hans-Peter Höhener


ursprünglicher Standort: http://www.zb.unibe.ch/maps/ryhiner/welten/texte/hoehener.html

 

Für ausführliche Anmerkungen und Literaturhinweise vgl. Höhener, Hans-Peter: Zentralistische oder föderalistische Schweiz? Die Gebietseinteilung in der Helvetik 1798 bis 1803 und ihre Darstellung in Karten. In: Cartographica Helvetica 18 (1998) S.21–31. Dauerhafter Link (DOI): http://dx.doi.org/10.5169/seals-9957